VPOD-Rede am internationalen Tag gegen geschlechtsspezifische Gewalt in Basel

Hallo allerseits und willkommen! Im Namen der VPOD Gewerkschaftsgruppe Uni Mittelbau möchte ich als erstes den Organisatori:innen dieser Kundgebung danken – und all jenen, die sich in den letzten Jahren dafür eingesetzt haben, dass es die Uni nicht schafft, das Thema sexualisierte Gewalt ganz unter den Teppich zu kehren.

Wie sollen wir derzeit mit ruhigem Gewissen mit Studierenden zum Beispiel historisch-kritisches Denken oder wissenschaftliche Methoden erarbeiten? Wie Erstsemestrige auf ihrem Weg in das Studium begleiten, wie ich es derzeit tue, ohne auch von den Missständen und Schattenseiten des akademischen Betriebs zu sprechen? Wozu das im Einzelnen führen kann und wie die Uni auf Beschwerden gegen sexualisierte Gewalt reagiert: das hat der Kassensturz am Beispiel Basel vor Augen geführt. Von der ETH Zürich und vielen anderen Hochschulen müssen wir immer wieder ähnliches hören. Und das obwohl die wenigsten Vorfälle je bis in die Medien gelangen.

Von wegen Kassensturz also: Wegen Machtmissbrauch oder sexuellen Übergriffen stürzt man(n) als Prof nicht. Auch wenn man(n) sich übergriffig verhält, darf man(n) weiterhin Monat für Monat ordentlich Kasse machen. Man(n) darf Doktorierende «betreuen» sich mit Hilfsassistentinnen und Postdocs umgeben. Wenn man(n) auf einem Lehrstuhl thront, kann man(n) sich fast alles leisten.

Vielleicht erinnert ihr euch: am 25. April dieses fand Jahr der zweite schweizweite «Sexual Harassment Awareness Day» statt. Alle Unis und Fachhochschulen haben da mitgemacht. Ausser etwas Show mit bunten Plakaten und Banner, Videobotschaften der Hochschulpräsident:innen und anderen Lippenbekenntnissen nix gewesen, könnten wir denken. Unserer Gewerkschaftsgruppe ist aber einer der offiziellen Flyer aufgefallen. Darauf wird gefragt: «Haben die Schweizer Hochschulen und Forschungsinstitute ein Problem mit sexueller Belästigung?»

Antwort: «Sexuelle Belästigung und Sexismus sind gesellschaftliche Probleme und kommen überall vor – auch im Hochschulkontext: Hierarchische und kompetitive Strukturen, zahlreiche befristete Arbeitsverhältnisse und vielfältige Abhängigkeiten sind Faktoren, die Machtmissbrauch begünstigen.» Natürlich ist der Hinweis richtig und wichtig: Wir haben es mit einem gesellschaftlichen Problem zu tun. Auch informelle Zusammenhänge, soziale Bewegungen oder Gruppen wir unsere sind vor Sexismus und anderen problematischen Denk- und Handlungsweisen nicht einfach gefeit. Und doch ist der Hochschulkontext besonders anfällig. Die Universität, wie wir sie kennen, baut auf den hochgradig hierarchischen Verhältnissen zwischen entfristeten Professor:innen und weitgehend rechtlosen Sudierenden und prekär angestellten Mittelbauangehörigen auf. Sich gegen Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt zu wehren, ist noch schwieriger, wenn die absolut ungleiche Positionsmacht formell festgeschrieben und in der Betriebskultur zementiert ist.

Zurück zum zitierten Flyer: Einsicht sei der erste Schritt zur Besserung, heisst es. Wir von der VPOD-Gruppe hätten das mit den Riskifaktoren jedenfalls kaum besser ausdrücken können! Wenn wir nun aber denken, dass die Uni Basel oder andere Hochschulen bereit wären, diese strukturelle Ebene von sich aus anzugehen – dann täuschen wir uns leider schwer. Die Unileitung hat sich zwar auf Druck nicht zuletzt unserer Gruppe gezwungen gesehen, eine gesamtuniversitäre Mittelbaureform aufzugleisen.

Geht es nach dem Willen des Rektorats, kommt allerdings nur Kosmetik in Frage, die nichts kostet. Die extreme Befristungsquote von etwa 90% unter den Wissenschaftler:innen zu senken und Hierarchien und persönliche Abhängigkeiten ernsthaft abzubauen: Was wir fordern, davon will die Uni bisher nichts wissen. Damit stellt sich die Uni Basel eben nicht nur gegen gute Anstellungs- und Arbeitsbedingungen in Forschung und Lehre, sondern auch gegen soziale Bildungsgerechtigkeit. Nein, die Uni zeigt auch – deswegen sind wir heute hier – dass sie dem Problem sexualisierter Gewalt in erster Linie schöne Worte und weitgehend machtlose Beratungsstellen entgegensetzen will. Kampagnen, die ein Bewusstsein schaffen und Anlaufstellen sind nicht verkehrt, aber auf sich gestellt reichen sie nicht. Wir sind dankbar für die klaren Worte auf dem Flyer, jetzt wollen wir aber auch Taten sehen.

Deshalb fordert die VPOD-Gruppe: Die Uni muss endlich auch die strukturellen Faktoren angeht, die Machtmissbrauch und Übergriffe systematisch erleichtern! Hierzu ein Vorschlag: «Gemeinsam können wir mehr bewirken» lautet der Titel des Flyers, den ich zitiert habe. Mit einer feministisch-gewerkschaftlichen Zusammenarbeit könnten wir die Uni zwingen, sexualisierte Gewalt endlich genügend ernst zu nehmen, um auch die hiermit systematisch verknüpfte Ebene der Anstellungs- und Arbeitsbedingungen in Forschung und Lehre radikal zu reformieren.

Zum Schluss eine von feministischen Hackatons inspirierte Idee für eine solche Zusammenarbeit: Lasst uns die Wikipedia-Seite der Uni Basel um je einen Abschnitt «sexualisierte Gewalt» sowie «Anstellungs- und Arbeitsbedingungen» erweitern und aufzeigen, wie diese Ebenen miteinander zusammenhängen. Im Sinn einer schweizweiten und internationalen Kampagne könnten wir mit gewerkschaftlichen und feministischen Kollektiven an anderen Hochschulen zusammenarbeiten. Denn wenn wir eins wissen, dann das: Beim Renommee tut es den Hochschulen weh.

Meldet euch gerne bei unserer Gruppe: Uns interessiert, wer einen solchen Hackaton interessant findet oder was andere Ideen und Initiativen sein könnten. Ich eile jetzt in den Seminarraum – im tröstlichen Wissen, das der Kampf hier weitergeht! – Danke fürs Zuhören und hoffentlich bis bald!