Offener Brief an Verwaltungsrat und Leitung des Theater Basel

Wir, das technische Personal, wenden uns mit diesem offenen Brief an Sie und die Öffentlichkeit, um ein weiteres Mal klarzumachen, warum das Theater Basel seine Positionen in den laufenden GAV-Verhandlungen überdenken muss, und weshalb die Zeit dafür langsam abläuft.

Sehr geehrte Theaterleitung, sehr geehrter Verwaltungsrat,

Wir haben bereits unzählige Kompromissangebote gemacht, doch nun braucht es ein echtes Entgegenkommen von Ihnen, welches unsere Forderungen ernst nimmt und nicht nur eine Scheinlösung ist. Wir stellen mit Schrecken fest: Während die Belastung der Mitarbeitenden stetig steigt, nimmt die Lösungsbereitschaft seitens des Theaters zusehends ab. Auch haben wir mit grosser Bestürzung zur Kenntnis genommen, dass Sie gegenüber Medienschaffenden und damit der Öffentlichkeit, Details aus den Verhandlungen preisgegeben haben. Dies stellt einen grossen Vertrauensbruch dar und gefährdet eine Lösung auf dem Verhandlungsweg massiv. Wir halten uns unsererseits an die Vertraulichkeitsabmachungen, sind nun aber auch gezwungen auszuführen, weshalb das Angebot vom Theater keine Lösung unserer Probleme darstellt, sondern diese gar noch intensiviert.

Wir wenden uns heute auch an Sie, weil die Zeit abläuft. Warum? Weil wir nicht mehr können. Aktuell befinden wir uns in einer besonders intensiven Phase, bedingt durch grosse Produktionen, die kurz vor der Premiere stehen. Viele Mitarbeitende stossen bereits jetzt, zu Beginn der Saison, an ihre Grenzen. Sie kämpfen mit gesundheitlichen Problemen, sehen ihre Familien kaum noch und arbeiten am Rande ihrer Kräfte. Der jetzige Zustand ist aber keine Ausnahme, sondern zeichnet sich schon lange ab und wird auch weiter anhalten.

Was bedeutet das konkret? Ein Mitarbeiter aus dem Vorstellungsbetrieb beschreibt die Lage so:

„Die momentane Situation in der Planung führt dazu, dass ich teilweise nur einmal in der Woche mit meiner Familie am Tisch sitze. Meine Schlafgewohnheiten muss ich der Unregelmässigkeit des Betriebs ständig anpassen – und das oft sehr kurzfristig. Kurz gesagt: Die von mir erwartete Verfügbarkeit und Flexibilität verunmöglichen ein planbares Familienleben zeitweise vollkommen.“

Wir brauchen Entlastung, und zwar sofort! Daher fordern wir u.a. eine schnelle Reduktion der Wochenarbeitszeit auf 38 Stunden.

Sie, sehr geehrter Verwaltungsrat, bieten uns eine 40h-Woche an, die erst in 4 Jahren vollständig eingeführt werden soll – diesen Vorschlag können wir nun aufgrund des Vertrauensbruches auch nennen. Zudem soll diese Reduktion um gerade mal 2 Stunden mit der vollständigen Flexibilisierung der Arbeitszeiten einhergehen, und zwar mit der Einführung der sog. Jahresarbeitszeit. So könnten wir auch weiterhin bis zu 60 Stunden und mehr in einer Woche arbeiten. Bereits heute müssen wir bis zu 11(!) Tage am Stück arbeiten. Dies nicht nur in Ausnahmefällen, sondern oft mehrmals hintereinander. Dazwischen werden die im GAV vorgeschriebenen Ruhetage oft nicht gewährt. Das ist die heutige Situation, die mit dem neuen GAV eigentlich verbessert werden sollte. Sie wollen unsere Situation aber noch weiter verschärfen. Eine Jahresarbeitszeit würde bedeuten, dass Mitarbeitende nach Willkür des Arbeitgebers monateweise bis zu 12 Stunden am Tag arbeiten müssten und dann in anderen Phasen wieder nur für 6 Stunden aufgeboten würden. Dies verunmöglicht jegliche Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Betreuungspflichten können so schlicht nicht mehr wahrgenommen werden, die Anzahl krankheitsbedingter Ausfälle würde weiter steigen und die Personalfluktuation weiter zunehmen.

Wir fordern daher echte Lösungen und konkrete Entlastungsmassnahmen. Weshalb diese Regelungen so wichtig sind, zeigt ein weiteres, aktuelles Beispiel aus der Beleuchtung:

„Beim Probebetrieb für den Ring ist es momentan unmöglich, die im GAV vorgesehene Ruhezeit an zwei aufeinanderfolgenden Tagen zu bekommen. Das heisst, bis Ende Oktober habe ich kein Wochenende mehr frei – und ich hatte auch schon länger keines mehr frei. Auch arbeiten wir oft mit nur einem freien Tag zwischen langen Diensten. Das führt uns an den Rand des Zusammenbruchs.“

Diese knappe Personalplanung betrifft nicht nur den Vorstellungsbetrieb, sondern auch die Werkstätten und Ateliers. Eine Mitarbeiterin beschreibt es so: «Der Zeitdruck ist auch bei uns extrem gestiegen, das Personal wurde reduziert, und wir stehen einer Arbeitskultur gegenüber, die ständige Flexibilität verlangt, bei vielen kurzfristigen Änderungen im Arbeitsplan.»

Für uns ist auch klar, dass die extreme Arbeitslast und Flexibilität, die wir bereits heute kennen, die aber noch weiter verschlechtert werden soll, entsprechend entlohnt werden müssen. Aus diesem Grund fordern wir Lohnerhöhungen, die unseren Einsatz gerecht entlöhnen.

So weiterzumachen wie bisher, ist für uns undenkbar. Mit den aktuellen Arbeitsbedingungen gefährdet die Theaterleitung das technische Personal und damit die Zukunft eines attraktiven Theaters. Denn ohne technisches Personal gibt es kein Theater.

Uns ist bewusst, dass all dies einen Paradigmenwechsel erfordert. Aber wir können den Spruch «Das ist halt so im Theater» nicht mehr hören. Wir wollen ein anderes Theater. Ein Theater, das seine Mitarbeitenden und ihre Gesundheit wertschätzt. Pausenlose, erschöpfende Arbeit ist kein legitimer Preis für preisgekrönte Kunst. Die Arbeitsbedingungen dürfen nicht die abhängige Variable im Theaterbetrieb sein – im Gegenteil: Nur gute Arbeitsbedingungen sind die Basis für gute Kunst. Es ist höchste Zeit, dass das Realität wird. Tik Tak. Die Zeit drängt!

In diesem Sinne erwarten wir eine baldige Lösung am Verhandlungstisch, die es uns allen ermöglicht, wieder mit Freude und Stolz hier zu arbeiten. Ein konkretes Angebot erwarten wir gerne vor der nächsten Verhandlungsrunde vom 9. Oktober.

Mit freundlichen Grüssen,

Ihre technischen Angestellten