Umkleiden ist Arbeitszeit – grobe Missstände in den Spitälern

Von: Joël Lier

Seit Oktober 2019 führte der vpod region basel in den Gesundheitseinrichtungen der Region eine Umfrage zum Thema «Umkleiden ist Arbeitszeit» durch. Nun liegen die Ergebnisse vor. Sie sind erschreckend und offenbaren grobe Missstände, denn die Umkleidezeit ist nur die Spitze des Eisbergs. Zusammen mit der restlichen nicht erfassten Arbeitszeit wird den Mitarbeitenden jährlich eine Zeitgutschrift oder Lohn von bis zu einem Monat vorenthalten.

Laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft SECO gilt Umkleiden gemäss Arbeitsgesetz als Arbeitszeit. Doch in den allermeisten Betrieben wird diese Zeit nicht erfasst und folglich auch nicht abgegolten. Den Mitarbeitenden wird so jährlich eine Zeitgutschrift oder Lohn von bis zu einem halben Monat vorenthalten. Der vpod region basel ist deshalb dabei, die Einhaltung des Arbeitsgesetzes einzufordern und fordert eine Umsetzung, welche nicht auf Kosten des Personal erfolgt. In diesem Zusammenhang hat er in den Gesundheitseinrichtungen der Region eine Umfrage mit rund 420 Teilnehmern durchgeführt. Die wichtigsten Erkenntnisse daraus für nahezu alle Betriebe sind:


Grosse Zeitunterschiede bei der Umkleidezeit
Die Unterschiede für die benötigte Zeit zum Umkleiden sind je nach Betriebsgrösse aufgrund der unterschiedlichen Wegzeiten von der Garderobe an den effektiven Arbeitsplatz eklatant. Eine pauschale Erfassung und Abgeltung dieser Arbeitszeit kann deshalb in vielen Betrieben keine arbeitsgesetzkonforme Lösung sein.


Mitarbeitende wünschen Abgeltung in Form von Zeit via Stempelsystem
Die Mitarbeitenden bevorzugen fast ausnahmslos eine Abgeltung des Umkleidens in der Form von Zeit. Eine Mehrheit spricht sich dabei dafür aus, die Arbeitszeiterfassung auf ein Stempelsystem umzustellen, bei dem die real geleistete Arbeitszeit erfasst wird und nicht jene Zeit, die im Schichtplan hinterlegt ist.

Weitere nicht erfasste Arbeitszeit
Abgesehen vom Umkleiden wird weitere Arbeitszeit im selben Umfang ausserhalb der offiziellen Schichten nicht erfasst und dementsprechend auch nicht abgegolten. Dies obwohl die Erfassung der individuell geleisteten Arbeitszeit gemäss Gesetz zu den Pflichten des Arbeitsgebers gehört. Zu dieser nicht oder nur teilweise erfassten Zeit gehört beispielsweise das Einlesen in Dossiers und Vorbereitungshandlungen vor Schichtbeginn, Rapporte, Schichtübergaben, etc. Zusammen mit der Umkleidezeit wird den Mitarbeitenden so jährlich eine Zeitgutschrift oder Lohn von bis zu einem Monat vorenthalten.

Personalmangel als Grund
Als Grund für diese zusätzlich nicht erfasste Arbeitszeit wird zu wenig Zeit innerhalb der offiziellen Schicht beziehungsweise Personalmangel genannt. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass Pausen oft oder nur teilweise bezogen werden können. Obwohl die Erfassung Pflicht des Arbeitsgebers wäre, muss die zusätzliche Zeit nachträglich dem oder der Vorgesetzten gemeldet werden. Dies ist allerdings nicht gerne gesehen, so dass viele Mitarbeitende aufgrund des Drucks darauf verzichten.

Aufgrund dieser unhaltbaren Zustände fordert der vpod region basel:

  • alle Betriebe im Gesundheitswesen dazu auf, ihre Arbeitsorganisation inkl. Personalschlüssel so anzupassen, dass nicht nur die Umkleidezeit, sondern die gesamte, real geleistete Arbeitszeit erfasst und abgegolten wird. Dies kann nicht durch eine weitere Verdichtung der Arbeit erfolgen, denn schon jetzt ist diese nicht mehr gesetzeskonform zu leisten.
  • die Arbeitsinspektorate zur Durchsetzung des Arbeitsgesetzes auf.
  • von der Politik, die chronische Unterfinanzierung des Gesundheitswesens zu beenden. Diese setzt die Betriebe derart unter Druck, dass eine gesetzeskonforme Arbeitsorganisation offensichtlich nicht mehr möglich ist.

Für weitere Auskünfte:
Joël Lier (Gewerkschaftssekretär vpod region basel)